Im Sommer 2010 durfte ich endlich einmal etwas richtig Großes machen. Der schönste und größte Spielplatz von Bochum sollte gestaltet werden, und meine Aufgabe war es, dafür einen riesigen Drachenkopf zu entwerfen und zu bauen, den die Kinder beklettern können. Ein ungefährer Grundriss von 8×12 Metern war vorgegeben, und ein angrenzender 40 Meter langer Erdhügel sollte so einbezogen werden, dass er den Rest des Drachenkörpers darstellt. Trotz dieser enormen Ausmaße durfte der Kopf nicht mehr als drei Meter hoch werden, um nicht die TÜV-Freigabe als Kletterobjekt zu verfehlen. Ich entschloss mich, alle Vorgaben zunächst in einem 3D-Computermodell festzuhalten, um einen Überblick zu bekommen und zu sehen, welche gestalterischen Möglichkeiten sich daraus ergaben.
Mein erster Entwurf stieß bei den Auftraggebern zwar auf Wohlwollen, ließ sich aber noch nicht ganz mit den Fallschutzbestimmungen für Spielplätze vereinbaren. Der 3 Meter hohe Nackenschild am Hinterkopf musste weichen, und die Ohren mussten abgeflacht werden, wenn der TÜV sein OK geben sollte.
Von dem gezähmten Drachen machte ich schließlich ein Plastilinmodell im Maßstab 1:50 und schnitt es in Scheiben, um daraus Schablonen für die Übertragung auf die volle Größe herstellen zu können.
Ein besonderes Problem bei diesem Projekt war, dass ich mit extrem wenig Geld auskommen musste. Aufgrund der Gestalt und der Größe kam nur eine Ausführung in Glasfaserbeton in Betracht. Zwar sind die Materialien dafür teuer, man braucht aber nicht viel davon, weil man sehr dünnwandig bauen kann. Ich entschloss mich außerdem für eine äußerst minimalistische Stützform aus 211 Dachlatten, ein paar Styroportafeln und drei Rollen Plastikfolie. Als wir begannen, das Ganze aufzubauen, sah man einige Zuschauer sich fragend an den Kopf greifen, und auch wir selbst standen von Zeit zu Zeit etwas rätselnd vor unserem Werk.
Das änderte sich allmählich, als alle Styroportafeln zurechtgestutzt waren und auch die Außenkante bis zum Boden durch Styroporschablonen Kontur erhalten hatte. Da wir ohne ein Baugerüst auskommen wollten, musste ich für die folgenden Arbeiten ziemlich viel auf dem Drachenkopf herumklettern, was natürlich eine sehr wacklige Angelegenheit war.
Erstaunlich stabil wurde die Konstruktion dann aber, als sie mit Plastikfolie bespannt war. Da die erste Betonschicht an der glatten Folie nicht abrutschen sollte, spannte ich darüber zusätzlich eine Lage Kaninchendraht, was noch einmal die Stabilität spürbar verbesserte. Für die Zunge hatte ich schließlich zwei Extrawürste aus Styroporkrümeln vorbereitet, die hier gerade montiert werden.
Zum Betonieren hatte ich meine Putzmaschine dabei, und 10 Paletten GRUMO standen bereit. Nachdem die erste Betonschicht aufgespritzt war, sah der Drache aus wie ein begossener Pudel. Insgesamt noch nicht gerade ein stolzer Anblick, aber es ging ja zunächst auch nur darum, ihm Steifigkeit zu verleihen und den Bodenrand anzulegen, der später das ganze Gewicht tragen sollte. Die sparsame Unterkonstruktion aus Dachlatten erwies sich dafür als vollkommen ausreichend.
Unzureichend war dagegen noch immer der Witterungsschutz. Um den Beton vor Regen und Sonne zu schützen, war es an der Zeit, den Drachenkopf zu überdachen. Ich hatte mir dazu eine einfache Konstruktion aus Kanthölzern überlegt, die ich mit einem freiwilligen Helfer zu einem 6 Meter hohen Fachwerk zusammenfügte. Weder das Geld noch die Woche Zeit, die mich der Bau dieser 100 qm großen „Einweghalle“ kostete war eigentlich eingeplant, aber ohne ging es halt leider auch nicht, denn ich wollte nicht im Regen arbeiten müssen oder riskieren, dass der Beton von der Sonne rissig wird.
Nach fünf Tagen Arbeit war das Riesenzelt fertig und sollte in den kommenden zwei Monaten mehr Anerkennung erfahren, als der Drachenkopf, um den es hier eigentlich ging. Insgesamt erwies sich die Konstruktion tatsächlich als äußerst brauchbar und überstand sogar einen richtig schweren Sturm fast ohne Schäden. Dieser Blick durch den Bauzaun auf die Hinterseite des Kopfes zeigt übrigens noch eine Tür ins Innere, die später zubetoniert wurde. Das war nötig, damit der Erdhügel, der den Drachenrücken bildet, angeschüttet werden konnte. Die Begehung des Kopfinneren war nicht vorgesehen, obwohl die 3 Meter hohe Höhle durchaus auch Ihren Reiz hat.
Nun begann die Laminierarbeit, bei der es darum ging, insgesamt vier Lagen Glasfasergewirke so in den Beton einzulegen, dass sich alles innig miteinander verbindet. Im Grunde eine ganz überschaubare Aufgabe, aber in Anbetracht der riesigen zu betonierenden Fläche von 150 qm doch eine organisatorische Herausforderung. Wir entschlossen uns, immer nur eine Kopfhälfte zu betonieren und die andere Kopfhälfte dabei als Verkehrsweg zu nutzen. Mir ist niemand bekannt, der in dieser Technik und in diesen Dimensionen schon gearbeitet geschweige denn etwas darüber veröffentlicht hätte. So waren wir darauf angewiesen, selbst alle möglichen Techniken und Hilfswerkzeuge auszuprobieren, und wurden von Schicht zu Schicht immer besser, bis es schließlich richtig gut lief.
Zum Beispiel erwies sich der Stahlbesen als das ideale Werkzeug zum unverzichtbaren Aufrauen der frischen Betonoberfläche, vorausgesetzt, man erwischte den richtigen Zeitpunkt. Bei kleineren Objekten nehme ich zu diesem Zweck den Edelputzkratzer, aber dafür war die Fläche hier viel zu groß.
Eine sportliche Aufgabe war schließlich die Glättung der letzten Betonschicht. Dafür hätte man eigentlich Flügel gebraucht, um nicht die frische Oberfläche zu verletzen. Wie so oft bei Beton kam es auf den richtigen Zeitpunkt an, und dann natürlich auf Geschwindigkeit, denn durch die Hochsommertemperaturen von über 30°C wurde mein Zelt zum Brutofen und der Beton galoppierte mir förmlich davon.
Am Ende war es aber trotzdem geschafft, und ich durfte nach 10 Wochen Bauzeit vor dem fertig betonierten Monster für das Abschlussbild posieren. 40 Tonnen Beton und rund 1000 Stunden Arbeit steckten in dem Werk, das nun andere noch mit den Erdarbeiten für die Modellierung des Drachenrückens, mit dem Bemalen des Kopfes und natürlich mit dem Abbau des Zeltes vollenden sollten. Inzwischen sind auch diese Arbeiten abgeschlossen und der Drache ist seit dem 4. September 2010 offiziell als Kletterfelsen und Spielplatzliebling in Betrieb. Wer ihn besichtigen möchte, findet ihn in Bochum zwischen der Klarastraße und der Maxstraße.